Effectuation in der Beratung von GründerInnen und Selbständigen

von Clemens Böge

Vor kurzem hatte ich das Vergnügen, in einem Workshop mit BeraterInnen und Projektverantwortlichen der österreichischen Firma ÖSB Consulting am und mit dem Thema Effectuation zu arbeiten. Die ÖSB Consulting ist eines der führenden Beratungsunternehmen Europas zu Fragen der Arbeitswelt. Es ist in einigen österreichischen Bundesländern u.a. verantwortlich für das Unternehmensgründungsprogramm (UGP) des Arbeitsmarktservice und weitere arbeitsmarktpolitische Projekte wie Focus1 und Mikrokredit des Sozialministeriums.

Insgesamt 13 TeilnehmerInnen aus dem Fachbereich Entrepreneurship haben sich einen intensiven Tag lang mit Effectuation auseinandergesetzt – vom Kennenlernen der Grundprinzipien und Hintergründe über das eigene Erleben und Ausprobieren bis hin zu einer kritischen Reflexion vor dem Hintergrund der eigenen Beratungstätigkeit.
„Was ist Effectuation überhaupt?“, „Was kann ich persönlich damit anfangen?“, „Wie fühlt sich ein an Effectuation angelehntes Vorgehen in einer Gründungssituation an?“ und „Wie kann ich Effectuation für meine KundInnen nutzbar machen?“ – das waren die Kernfragen, die dabei bearbeitet wurden.

Ein spannender Punkt in der Diskussion waren die Widersprüche zwischen den Ideen und Prinzipien von Effectuation und den Rahmenbedingungen im Kontext der arbeitsmarktpolitischen Programme. So wäre es für GründerInnen manchmal eine hilfreiche Strategie, schrittweise und erkundend vorzugehen und mal einen „Testballon“ starten zu lassen. Speziell unter dem Aspekt der Risikominimierung könnte auch eine Kombination aus selbständiger Tätigkeit und z.B. einer Anstellung sinnvoll sein. Dem steht jedoch die arbeitsmarktpolitische Zielsetzung gegenüber, dass die selbstständige Tätigkeit hauptberuflich ausgeübt werden soll.

Gleichwohl haben die TeilnehmerInnen eine Reihe von interessanten Hypothesen und Ansätzen erarbeitet, wie und in welchen Situationen Effectuation in der Beratung von GründerInnen und Selbständigen hilfreich sein könnte:

  • Effectuation kann als alternativer und wissenschaftlich belegter Ansatz vorgestellt werden, wenn GründerInnen extrem kausal vorgehen und vor lauter Analysen nicht ins Tun kommen.
  • Am anderen Ende der Skala, bei den „Wurschtlern“, kann Effectuation Ich-stärkend wirken und den Selbstwert heben, wenn die (notwendigen oder erwarteten) Analysen und Prognosen einem über den Kopf wachsen.
  • In einer frühen Phase der Gründung kann Effectuation genutzt werden, um die Gründungsidee zu schärfen.
  • Bei bereits aktiven UnternehmerInnen kann Effectuation als Reflexions-Tool dienen, um die bisherige Vorgehensweise zu überprüfen und sie um neue Ansätze zu ergänzen.
  • Insbesondere Personen mit Migrationshintergrund könnte Effectuation Orientierung bieten, da die Methode den intuitiven Strategien der GründerInnen oft in hohem Maß entspricht.

Für Clemens Ragl, den Leiter des Bereichs Entrepreneurship der ÖSB Consulting, liefert  Effectuation „…wichtige Impulse, um die bestehenden Konzepte zur Unterstützung von GründerInnen und Selbständigen zu ergänzen und zu aktualisieren – das Konzept ist ein spannender und vielfältig einsetzbarer Ansatz für Ein-Personen-Unternehmen.“

 

2 Kommentare zu “Effectuation in der Beratung von GründerInnen und Selbständigen”

  1. Mai 29, 2013 at 11:42 am, René Merten (ABSOLVENTENAKADEMIE Wien) said:

    Mir scheint „Effectuation“ kein starres Gegenprinzip zur bisherigen (stark zielorientierten) Arbeitsmarktpolitik, sondern oft die Verbindung zwischen Strategie und Umsetzung.

    Auch i.R.v. „Effectuation“ sollte ich mir immer klarmachen, was ich will und was nicht und dies in Abständen kritisch reflektieren. Mag ich offener sein, kann ich z.B. Alternativziele definieren oder Teilziele als erste Schritte statt ein zu hypothetisches Endziel.

    Beim klassischen Entrepreneurship etwa komme ich ebenso wenig um Test-Produkte, Probemärkte und einen „Plan B“ herum wie bei „Effectuation“. Das Wichtigste aber scheint mir zu sein, dass „Effectuation“ sehr leicht zum Selbstbetrug einläd à la „Ich kann keine Zahlen zur Überprüfung generieren“ oder „Ich muss mich nicht voll auf meine Idee einlassen“ , was gerade zu Beginn so mache Neugründung leider zunichtemachen kann.

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  2. Mai 29, 2013 at 12:41 pm, Clemens Böge said:

    Hi René,

    vielen Dank für Deine Anmerkungen. Bei den meisten Punkten stimme ich Dir grundsätzlich zu – hin und wieder allerdings mit einer Ergänzung oder einem kleinen „aber“.

    Effectuation ist sicher kein starres Gegenprinzip zu einer zielorientierten Vorgehensweise, in der Gegenüberstellung werden aber die Unterschiede deutlicher. Ist auch ein didaktisches Thema.

    Speziell im Fall der Gründungsförderung ist jedoch ein erkundendes Vorgehen, wie es Effectuation grundsätzlich vorschlägt, oft schwierig. Die auch von Dir vorgeschlagenen Test werden in einer Vor-Gründungsgphase oft schon als unternehmerische Aktivität gewertet und in Folge dessen wird die faktische Gründung unterstellt, die SVA will Geld usw.

    Ich glaube auch, dass Analysen und Zahlen wichtig und sinnvoll sein können. Nicht jedoch im Sinne eines „Herbeirechnens“ einer ungewissen Zukunft. Da rät Effectuation eher zum Tun statt zum Denken (= Prognostizieren).

    Von der eigenen Idee überzeugt sein, ist sicher ein ganz wesentlicher Erfolgsfaktor. Ich kann aber gleichzeitig überlegen, was ich zu verlieren bereit bin, wenn mein Vorhaben scheitert. „Sich einlassen“ heißt für mich nicht, alles was ich habe auf die eine Karte zu setzen.

    LG
    Clemens

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