Zum Unternehmer geboren!?

von Clemens Böge

„Das wurde ihm schon in die Wiege gelegt.“
„Das hat sie im Blut.“
„Er ist einfach der geborene Unternehmer.“

Solche oder ähnliche Formulierung werden immer wieder gern verwendet, wenn es darum geht, unternehmerischen Erfolg zu erklären. Aber hat Unternehmertum wirklich eine solche „genetische“ Komponente?

Ein aktueller Beitrag auf mashable.com versucht, die wesentlichen Erfolgsfaktoren für Gründer und Unternehmerinnen aufzuzeigen und nennt das Ergebnis „Entrepreneur DNA“. Der zugrunde liegenden Studie des Founder Institute zufolge sind erfolgreiche Entrepreneure z.B. älter als man denkt: ab 28 Jahren geht’s erst so richtig los. Erfahrung spielt also eine große Rolle, auch wenn die Geschichte vom jungen Draufgänger als Gründer mehr her gibt und wohl deshalb immer wieder gern erzählt wird. Soziale Kompetenz ist wichtig (wundert mich jetzt nicht so), ebenso Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Intelligenz im Sinne eines hohen I.Q. ist hingegen keine relevante Größe für unternehmerischen Erfolg.

Entrepreneur_DNA

(Abb. via mashable.com)

Aber was tue ich, wenn die genannten Kriterien auf mich nicht oder kaum zutreffen? Was wenn der angebotene Test bei mir keine Entrepreneur DNA identifiziert? War’s das dann mit meinem Gründungsvorhaben?

Einspruch!

Zunächst einmal handelt es sich bei den angebotenen Merkmalen eines Entrepreneurs m.E. eher um Verhalten als um angeborene Eigenschaften. Ich bin kein Genetiker, aber Berufserfahrung, Neugier, Offenheit und Kommunikationsstil sind für mich zum großen Teil erlernte Verhaltensweisen bzw. kulturelle Prägung. Verhalten wiederum kann ich ändern (auch wenn das manchmal ganz schön schwierig ist). Insofern ist die Bezeichnung DNA wohl eher eine Metapher als eine wissenschaftlich haltbare Aussage.

Ich würde außerdem vermuten, dass die hier genannten Kriterien für erfolgreiche Entrepreneure genau so gut für erfolgreiche angestellte Manager gelten könnten. Das wird besonders deutlich, wenn man sich die „bad founder DNA“ anschaut: Mit Aggressivität, Ausreden und Narzissmus hat man es heutzutage auch als Angestellter schwer, sich mittel- oder gar langfristig durchzusetzen. Spätestens beim nächsten 360° Feedback wird’s eng.

Vor allem aber scheint mir bei den Aussagen zur Entrepreneur DNA Korrelation mit Kausalität verwechselt zu werden. Die ökonomisch erfolgreichen Teilnehmer an der Studie haben möglicherweise alle ähnliche Eigenschaften, das heißt aber noch nicht, dass ich mit diesen Eigenschaften automatisch erfolgreich bin. Oder ohne sie nicht. Es gibt viele Wege, um unternehmerisch erfolgreich zu sein, darunter manche sehr merkwürdige und verschlungene.
Das Ganze erinnert mich ein wenig an ein Kernproblem der klassischen Management-Literatur, die aus beobachteten Gemeinsamkeiten erfolgreicher Unternehmen Konzepte destilliert und diese dann allen anderen als Rezept empfiehlt. Eine solche „one size fits all“ Idee wird der Komplexität unternehmerischer Tätigkeit kaum gerecht.

Was sonst?

Auch wenn viele Aussagen des Founder Instituts sehr plausibel sind, greift die Idee der Entrepreneur DNA insgesamt etwas zu kurz. Schlüssiger finde ich da immer noch das Effectuation Konzept, demzufolge erfolgreiche Gründer und Unternehmer auf eine Reihe handlungsleitender Prinzipien zurückgreifen, die sehr wohl gelehrt und gelernt werden können:

  • Prinzip der Mittelorientierung: Vorhaben mit den Fragen „Wer bin ich?“, „Was weiß ich?“, „Wen kenne ich?“ beginnen – nicht mit fixen Zielen.
  • Prinzip des leistbaren Verlusts: Den Einsatz am leistbaren Verlust orientieren – nicht am erwarteten Ertrag.
  • Prinzip der Umstände & Zufälle: Umstände, Zufälle und Ungeplantes nutzen – anstatt sich dagegen abzugrenzen.
  • Prinzip der Partnerschaften & Vereinbarungen: Mit denen Vereinbarungen treffen und Partnerschaften eingehen, die mitmachen  – anstatt nach den „richtigen“ Partnern suchen.

Unternehmertum kann sicher nur bis zu einem bestimmten Punkt erlernt werden. Darüber hinaus geht es auch um Dinge wie Talent, Willen oder einfach die richtige Idee zur richtigen Zeit. Mit den Genen hat das Ganze aber sicher wenig zu tun.

 

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