Unternehmerisch Kochen

von Clemens Böge

Über das Thema Effectuation, die Methode für unternehmerisches Denken und Handeln, wurde an dieser Stelle ja bereits öfter geschrieben. Diesmal kann ich von einem ganz besonderen Experiment berichten, dem sich vor kurzem in zwei Workshops insgesamt 18 Freiwillige ausgesetzt haben. Gemeinsam haben sie die Ideen von Effectuation aufs Kochen übertragen und so ein echtes Menü „à l’entrepreneur“ kreiert.

Vorhandene (Lebens-)Mittel…

Ausgangspunkt ist das Effectuation-Prinzip der Mittelorientierung, welches dazu auffordert, Vorhaben nicht mit fixen Zielen zu beginnen, sondern mit den zur Verfügung stehenden Mitteln: Wer bin ich? Was weiß ich? Wen kenne ich?
Das ist wie Kochen ohne Rezept, aber mit (unternehmerischem) Konzept. Kühlschrank aufmachen und überlegen: Was kann ich damit anstellen?

Zur Verfügung stehende (Lebens-) Mittel

Zur Verfügung stehende (Lebens-) Mittel

Im Workshop konfrontieren wir die Teilnehmer nach kurzer Einführung und Diskussion des Effectuation-Konzepts mit einem bunten Strauß an Zutaten. Wir, das sind in diesem Fall Sabine Dobesberger vom Wiener Kochstudio „Die Pause“ und ich. Die Aufgabenstellung ist, innerhalb von ca. 1,5 Stunden ein drei-gängiges Menü zu kreieren, mindestens bestehend aus Vorspeise, Hauptgericht und Nachspeise. Nach anfänglicher Ratlosigkeit, gefolgt von angeregten Diskussionen und einigem Hin und Her, machen sich die Teams ans Werk. Ein paar grundlegende Fragen sind noch zu klären („Was ist das?“ – „Ah, Süßkartoffel.“), dann zeigen sich recht schnell die vorhandenen Interessen und Erfahrungen rund ums Thema Kochen. Die einen gehen voran und bringen das ein, was sie schon mal gemacht oder gehört haben, die anderen verlegen sich eher aufs Schneiden. Auch Restriktionen sind teilweise zu beachten (z.B. Unverträglichkeiten).
Im Verlauf des Kochprozesses ist dann zum einen gut zu beobachten, wie eine Gruppe fremder Personen langsam zu einem echten Küchenteam wird. Zum anderen nehmen die Gerichte immer wieder kleinere und größere Wendungen auf Basis von Verhandlungen zwischen den Köchen („Der Safran kommt in die Suppe!“ – „Nein, kommt er nicht!“). Stimuliert wird das Ganze u.a. dadurch, dass auf halbem Weg zusätzliche Zutaten ins Spiel gebracht werden, die den einen oder anderen „Spin“ in die Gerichte bringen.

…und was man daraus machen kann

Obwohl die Gruppen in den beiden Workshops mit nahezu identischer Mittelausstattung kochen, ist das Ergebnis in weiten Teilen sehr unterschiedlich. Und selbst dort, wo die Richtung die gleiche ist (Gemüsesuppe), gibt es Unterschiede in der Ausführung (Gewürze).

Gemüsesuppe

Die im Ganzen zur Verfügung gestellten Hühnchen kommen am Ende einmal aus dem Wok, einmal aus dem Topf und einmal aus dem Rohr und sind doch jedes mal gleich lecker.

Hühnchen

Die Dessert-Teams arbeiten einmal österreichisch-klassisch (gebackene Apfelspalten) und einmal international-kreativ (Obst-Variationen) – beide Male wird das Ergebnis mit der gleichen Begeisterung beklatscht und verzehrt.

Nachspeise

Am Ende ist das unternehmerische Kochen für alle Beteiligten ein wirklich gelungenes Experiment. Sowohl für die Veranstalter, die viele neue Erkenntnisse und Ideen generieren können (danke nochmals für das Feedback), als auch für die Teilnehmer:

„(…) es ist schön für mich zu wissen, dass man auch Step by Step, die Chancen und Irritationen am Weg nützend, weiter kommt und evt. sogar ganz erfolgreich.“

„Angenehme Atmosphäre, spannender Vortrag, super Menschen, wichtige Kochtipps, rundes Event mit ganz neuen Perspektiven. DANKE!“

Workshop als eigenes Vorhaben

Im übrigen sind die Koch-Workshops selbst das Ergebnis eines Effectuation-Prozess. Die Initiatoren sind sich zufällig bei einem anderen Workshop über den Weg gelaufen. Ausgehend von einer ersten groben Idee wurde über Austausch und Verhandlungen vereinbart, wie man das Vorhaben konkret gestalten und umsetzen kann. Neben den bereits vorhandenen Ressourcen (Konzeptwissen, Kochstudio etc.) wurden weitere Partner integriert, so z.B. das Wiener Startup Eventiply mit seiner Plattform zur Organisation von Veranstaltungen. Das ganze Vorhaben wurde insgesamt so gestaltet, dass im Fall eines Scheiterns keine großen Kosten entstanden wären, sondern lediglich ein überschaubarer Zeitaufwand hätte abgeschrieben werden müssen.

So oder so ähnlich machen es (im großen Stil) auch erfahrene und erfolgreiche Gründer und Unternehmer.

„Gut zu kochen ist ein schöpferischer Akt. Wer die Küche liebt, der liebt es auch zu erfinden.“
(Maria Callas)

 

2 Kommentare zu “Unternehmerisch Kochen”

  1. März 17, 2014 at 2:52 pm, Natalie Struve said:

    Ich propagiere auch schon seit Jahren, daß man am Kochen alles lernen kann, nicht zuletzt das Schreiben: weil man aus dem begrenzten Vorhandenen immer wieder Neues erschaffen kann; weil man umso weniger Regeln braucht, je mehr man weiß, was man tut; und weil man verstehen muß, worauf es ankommt, wenn man Erfolg haben will…

    Antworten

    • März 17, 2014 at 3:08 pm, Clemens Böge said:

      Hört sich so an, als könnte man Effectuation (teilweise) auch beim Schreiben anwenden. Danke, Natalie.

      Antworten

Kommentieren