Die Macht der Metaphern (und wann ich darauf verzichte)

von Clemens Böge

Metaphern sind eine großartige Sache, ich liebe sie wirklich heiß. Im Coaching schaffen sie Abstand und machen es leichter, latente und unangenehme Themen zu benennen und zu bearbeiten. In Reden und Präsentationen machen sie den Vortrag lebendiger und helfen, Neues und Kompliziertes zu verstehen, indem wir es bildhaft mit Bekanntem verknüpfen. Bei der Arbeit mit Lego® Serious Play® bauen die Teilnehmer:innen metaphorische Modelle, um inneren Ideen und Bildern eine Gestalt zu geben und sie dadurch anderen zu vermitteln.

Eine Kategorie von Metaphern, die auch und gerade im Business-Kontext häufig verwendet wird, halte ich jedoch für mehr als entbehrlich: Sprachbilder aus Militär und Krieg.

Da steht dann im Vertrieb eine schlagkräftige Truppe Gewehr bei Fuß, um der nächsten Marketing-Offensive zum Durchbruch zu verhelfen. Das neue Projekt ist extrem wichtig im Kampf um Marktanteile und daher sofort in Angriff zu nehmen. Und die HR-Abteilung ist im war for talents natürlich an vorderster Front zu finden.

Geht das nicht auch anders?

Seit einiger Zeit ertappe ich mich immer häufiger selbst dabei, dass ich im Eifer des Gefechts… – Mist, schon wieder. Dass mir das Thema gerade jetzt stärker bewusstwird, hat aber vermutlich weniger damit zu tun, dass ich und andere diese Art von Metaphern häufiger verwenden als früher. Das Militär war immer schon eine Quelle nicht nur sprachlicher Entsprechungen, sondern auch konzeptioneller Ideen und konkreter Herangehensweisen für die Wirtschaft. Viele Aspekte von Strategie, Führung und Organisation stammen ursprünglich aus der militärischen Sphäre und wurden von dort auf wirtschaftliche Zusammenhänge übertragen. Das Buch „Die Kunst des Krieges“ von Sunzi gilt auch Jahrhunderte nach seinem Entstehen noch immer als Standardwerk zum Thema (Business-)Strategie.

Sprache schafft Realität

Ich bin mir vielmehr sicher, dass es der schreckliche Angriffskrieg Russlands in der Ukraine ist, der meine Sensibilität für diese Ausdrucksweisen erhöht hat. Und gleichzeitig mein Unbehagen. Sprache schafft Realität. Das wissen wir spätestens aus der wichtigen Diskussion um eine geschlechtergerechte Sprache. Was für eine Realität entsteht aber, wenn wir aus Gewohnheit und weil es so gut zu passen scheint, Militär- und Kriegsmetaphern verwenden, sei es im beruflichen oder auch privaten Kontext? Krieg und Gewalt werden so jedenfalls zu etwas Alltäglichem, etwas Normalem, etwas das wir akzeptieren oder zumindest hinnehmen – und das sollte es niemals sein.

Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, mich selbst gut zu beobachten und auf derartige Sprachbilder zu verzichten. Man könnte ja auch (um beim obigen, etwas überspitzt formulierten Beispiel anzuknüpfen) ein engagiertes und kompetentes Team haben, dass ab sofort bereit ist, die umfangreichen Marketing-Aktivitäten zu unterstützen. Mit dem neuen Projekt Marktanteile zu gewinnen, ist natürlich legitim, aber es geht ja vielleicht auch ohne Kampf und man kann einfach sofort damit anfangen. Und vielleicht spüren es die High Potentials ja sogar und wissen es zu schätzen, wenn man sie nicht als Beute in einem Krieg gewinnen will (in dem bekanntlich alles erlaubt sind), sondern ehrlich um sie wirbt und sie überzeugt.

Kommentieren